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Leben ohne Chef und Staat
Schon seit jeher wird die Punkbewegung gerne mit Worten, wie „Anarchie“ oder „Anarchismus“ in Verbindung gebracht; wen wundert’s? Ständig fallen diese Begriffe irgendwie und irgendwo, wenn es um die bunthaarigen und Bier trinkenden Kollegen geht, die „das A im O“ irgendwo auf ihre Lederjacke gepinnt haben. Sogar die Samplerreihe „Chaos, Bier und Anarchie“ beinhaltet dieses mysteriöse Wort und verbindet es mit der Subkultur.
Wenn man jedoch ein paar Leute dieser Gattung zu fragen beginnt, kommen oft leere Blicke oder hohle Phrasen zum Ausdruck, die den Verdacht nahe legen, dass es sich hierbei wohl eher um pures Mitläufertum handelt, als um eine wirkliche Überzeugung. Wirklich wahre „Anarchisten“, wie man sie nennt, gibt es nämlich nicht nur in der Punkbewegung, wie man oft fälschlicherweise denkt. Es handelt sich dabei um eine politisch-gesellschaftlich-philosophische Idee, die schon in der griechischen Antike Erwähnung fand („An-Archia“).
Doch was ist Anarchie und Anarchismus eigentlich? Was wollen Anarchisten und warum hört man so wenig von ihnen?
Diese und noch viele andere Fragen werden in Horst Stowassers Werk „Leben ohne Chef und Staat“ geklärt. Auffällig dabei ist erst einmal die klare und lebendige Sprache, die sich dabei schon von anderen Vertretern anarchistischer Literatur abhebt, die zumeißt doch eher trocken zu Werke gehen. Man muss fürwahr also kein studierter Politikwissenschaftler sein, um das Buch und die Inhalte verstehen zu können.
Das Buch teilt sich dabei in eine Einleitung und sieben weitere Kapitel auf. Jedes einzelne Kapitel folgt dabei einem einfachen Schema:
Die „Story“ kann man quasi als einen kleinen Romanabschnitt betrachten, der den Leser an das folgende Thema ran führt. Daraufhin folgt der Abschnitt „Geschichte“, der den bereits beschriebenen Story-Teil aufnimmt und in einen geschichtlichen Kontext bringt. Man könnte sagen, dass man hier „hinter die Kulissen“ geht und neben dem literarischen Unterhaltungswert ein wenig Sach- und Fachwissen vermittelt bekommt. Der letzte Teil, die „Moral“, ist quasi – wie es im Wort bereits vorkommt – der Teil, in dem „die Moral von der Geschicht‘“ näher beleuchtet wird. Was ist passiert? Warum ist was passiert? Was können wir heute aus den Erfahrungen und Fehlern lernen und entsprechend anders machen? Dabei integriert Herr Stowasser geschickt einige anarchistische Grundideen, die jedoch keinen Anspruch auf allgemeine Gültigkeit erheben. Er macht dabei noch zusätzlich auf „Schönheitsfehler“ und Probleme aufmerksam, denen sich die Anarchisten früher entgegensahen; und auf jene, denen man sich heute auch noch gegenübersehen könnte.
Thematisch geht es bunt einher. Man macht eine gedankliche Reise nach Rumänien, Argentinien, Uruguay, Spanien, Mexiko und auch Deutschland. Gespickt sind alle diese Ländereien mit mehr oder weniger großen Erzählungen der anarchistischen Geschichte. Sei es nun die Machno-Bewegung, der Spanische Bürgerkrieg, ein von Kindern selbst verwaltetes Haus, gewerkschaftliche Organisation inklusive einiger Generalstreiks oder einfach die Frage nach der Legitimität von Gewalt: „Leben ohne Chef und Staat“ deckt ein zufriedenstellendes Feld von Themengebieten ab, in denen man gewiss einiges zu lernen hat.
Natürlich muss man an der Stelle sagen, dass es sich hierbei um alles andere, als ein objektives Sachbuch handelt. Man muss dem Autor jedoch zu Gute halten, dass er diesen Vermerk am Ende des Buches selber vornimmt. Es handle sich seiner eigenen Aussage nach um kein „wissenschaftliches oder historisches Werk“, sondern sei „parteiisch“ und somit auch entsprechend zu werten. Diesen parteiischen Charakter bemerkt man auch, allem voran in der Sprache.
Doch nicht nur dieser ehrliche Vermerk ist eine Erwähnung wert, sondern auch der Verweis, dass jeder Leser frei in seiner Entscheidung ist, weiter aktiv zu werden, soll heißen: Man informiert sich weiter anhand der angegebenen Literaturverweise oder beginnt von sich aus etwas zu tun (wie auch immer dies aussehen möge). Das Buch besitzt somit einen Aufforderungscharakter im direkten Sinne. Es fordert den Leser quasi auf, nicht nur beim Buch stehen zu bleiben, sondern unter Umständen auch einige persönliche Konsequenzen für das weitere Leben zu ziehen (sofern man überhaupt Berührugspunkte mit den anarchistischen Vorstellungen vorfindet).
Horst Stowasser hat meines Erachtens mit „Leben ohne Chef und Staat“ ein wirklich empfehlenswertes Werk zu Stande gebracht, das besonders für „Neulinge“ auf diesem Gebiet interessant sein könnte. Es gibt viele Informationen, es gibt Abwechslung und viele weitere Vermerke, um das abgedruckte Wissen des 192 Seiten starken Buches in Form weiterer Quellen weiter zu vertiefen. Dass dadurch auch „alte Hasen“ sicherlich den einen oder anderen Wink mitnehmen können, erklärt sich dadurch wohl von selbst.
Allerdings muss man an der Stelle einfach festmachen, dass es sich hierbei um ein Buch handelt, das die Grundlagen (!) des Anarchismus skizziert und entsprechend Denkantöße gibt. Wer sich seit einigen Jahren schon intensiv mit dem Thema befasst und auch diverse literarische Werke gelesen hat, der wird hier wahrscheinlich weniger Nutzen oder Genuss draus ziehen können. Auch die ausgeschlafenen Revolutionshelden, die zwar Tatendrang mitbringen, aber keine fundierte, theoretische Vorstellung haben, werden hier keine Abhandlung oder „Anleitung“ vorfinden. Stattdessen wird Aufklärungsarbeit betrieben, die das „böse Gespenst Anarchismus“ entzaubern und somit ein neues Gesicht geben.
Auch ich zähle mich zu denen, die schon ein paar komplexere Bücher zu diesem Thema in den Händen hatten. Ich für meinen Teil freue mich jedoch sehr, dass es eine leicht verständliche und umfassende „Anleitung“ zu dem doch sehr komplexen Thema gibt. Die Sprache ist zeitgemäßer, es gibt ein bisschen Bildmaterial zu begutachten und es ist eine klare, leicht verständliche Struktur durch das Prinzip „Story-Geschichte-Moral“ vorhanden. Mehr kann man sich eigentlich nicht wünschen.
Natürlich spricht es absolut für sich selbst, dass man nach Horst Stowasser nicht stehen bleibt. Es gibt noch viele andere Werke, die eine ganz andere, ausführlichere Qualität aufweisen und dementsprechend weitaus informativer sind. Man darf „Leben ohne Chef und Staat“ also durchaus als erste Station einer weiten und aufregenden Reise ansehen.
Um den Begriff „Kaufempfehlung“ komme ich hier nicht herum. Ansatzweise Interessierte wagen mehr als nur einen Blick und tauchen ab in die magische und faszinierende Welt der Anarchie.
Nur als Vermerk: Natürlich ist auch dieses Review nicht frei von ideologischen Überzeugungen und einer gewissen Parteilichkeit. Für mich stellt dieses Thema quasi eine „Herzensangelegenheit“ dar und ich wünsche mir sehr, dass sich die Menschen eingehender mit dem Thema beschäftigen, anstatt die Denkmuster „Anarchie = Chaos“ einfach blind zu übernehmen.
Dementsprechend möchte ich natürlich seriöse und auch ordentliche Literatur nahelegen, da auch ich schon auf diverse…“Werke“ stieß, die der Beschreibung „Buch“ in keiner Weise irgendwie gerecht wurde. Diesen Fehltritt möchte ich den Interessierten dieses Themas gerne ersparen und hoffe, dass man sich nicht von der Parteilichkeit des Verfassers dieser Zeilen abschrecken lässt.
Geschrieben von ChaosZx2 am 13.09.2013, 00:08 Uhr
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