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Rawside - Widerstand
Weitere Informationen:
http://rawside.com/
http://www.myspace.com/rawsidepunk
Zahlen sind Schall und Rauch. Nicht, dass das sowieso schon jeder wissen würde, aber manchmal drängt sich einem diese Erkenntnis gerade zu auf. Als Beispiel halten hier zum Beispiel die Coburger Hardcore-Punker „Rawside“ her. Schließlich haben sie bisher 14 aktive (sofern man die Zeit zwischen ihrer Auflösung bis hin zur Wiedervereinigung außer Acht lässt) Jahre hinter sich und „gerade mal“ fünf Veröffentlichungen (ohne Re-Releases, Demos oder Live-CD mit zu zählen) zu verzeichnen. Das mag vielleicht ihren häufigen Neubesetzungen zu verschulden sein. Oder auch, dass sie sich lieber ein bisschen mehr Zeit für ein Album nehmen, als zu wenig. Ganze vier Jahre mussten die Fans seit der Neuveröffentlichung der „Staatsgewalt“ im Jahr 2006 auf wirklich neues Material warten. „Widerstand“ nennt sich die Neuheit aus Coburg lässt alte Fans schon durch den Titel aufhorchen. Ob die CD etwas taugt?
Ein roter Stern, eine MP5 (Maschinenpistole) und schwarz-weiße Polizeikräfte im Hintergrund. Ja, das klingt doch stark nach "Staatsgewalt". Allerdings ist es diesmal ein klein wenig anders: Die Worte „Rawside – Widerstand“ finden kuschelig einen Platz über der genannten Schusswaffe (Jaha, das ist ein dicker Unterschied!). Hier wird wieder klar, welche Radikalität diese Band in sich trägt (bzw. verkündet) und seine Verbindung zur RAF (Für alle, die in Geschichte nicht aufgepasst haben oder kein Interesse zeigten: RAF bedeutet Rote Armee-Fraktion) herstellen möchte, indem sie sich frech ihres Logos bedienen. „Naja, nicht wirklich was Besonderes“ denkt man sich, wenn man schon vorher die Texte der Band gewöhnt war.
Das ist wieder echt typisch. Wo die alten Fans gerade erst beim Titel aufgehorcht haben, so dürften sie das beim Intro genau so handhaben: „Ein Volk sollte keine Angst vor seiner Regierung haben, eine Regierung sollte Angst vor ihrem Volke haben“, schallt es aus den Lautsprecherboxen, bis das Lied „Brut of Scum“ mit fetten Gitarren und unerwartetem Double-Base-Drum-Einsatz durch den Raum zu fegen beginnt. Hier beginnt man schon zu ahnen, dass die Band hat sich fest an ihren Stil gehalten haben nun alles aus ihren Instrumenten rausfeuern, was sie hergeben können. Der Sänger macht natürlich genau so wenige Kompromisse und brüllt seine politischen Texte ins Mikrophon.
Besondere Beachtung findet „Widerstand“, welches sich auf den ersten Hörer wie ein „0815“-Punklied anhört. „Widerstand, Widerstand, Widerstand gegen Deutschland“. Huiuiui, das gab es ja noch nie! Das ganze Lied mag einem zwar wirklich das Hirn aus dem Kopf rocken, aber der Text ist irgendwie absolut klischeehaft. Auch wenn man weiterhört, erschließt sich einem: „Widerstand gegen dieses Scheiss-Land!“. Na super, so geht es das ganze Lied über weiter…zumindest bis zum Ende, der dem ganzen Lied nun doch eine ganz andere Note gibt. Bevor das Lied abrupt zu Ende ist, endet das Lied mit „Widerstand gegen JEDES SCHEISS-LAND“. Ich räume ja gerne ein, dass „Scheisse mit Schirmchen“ immer noch „Scheisse“ ist. Doch durch die letzte Zeile beginnt das ganze Lied auf einmal vom „Anti-Deutschland“-Lied zum „Anti-Nationalitäten“-Lied zu werden und preist damit ganz plötzlich „One World – One Nation“ an. Ich würde sagen: Gerade noch aus der Mittelmäßigkeit gerettet…an dessen Stelle sich jedoch leider „Was ist zu tun…“ zu drängen versucht, welches dieselbe Thematik hat. Im Unterschied zu „Widerstand“ hat es aber nicht den fetten Sound oder den tieferen Sinn, außer: „Naja, Widerstand leisten halt…“. Das Lied wäre wirklich nicht schlecht, wenn die Band nicht sowieso schon so endlos viele Songs über dieses Thema hätte. Es wirkt ein bisschen "ausgereizt".
Mit „Face to Face“, „Kettenreaktion“ und „I Start a Fight“ gesellen sich ein paar Lieder dazu, die auch etwas persönlichere Themen behandeln. Mit Texten, die davon handeln, dass man versucht das Richtige in seinem Leben zu leben/finden („Face to Face“), einen Ausweg aus seiner endlosen Misere zu finden („Kettenreaktion“) oder dass man Bier trinkt und seinem Gegenüber die Fresse einschlägt („I Start a Fight“). Besonders die ersten beiden Lieder überzeugen durch eine wirklich exzellente musikalische Ausarbeitung und machen sie zu einem Dauerbrenner. Besonders "Kettenreaktion" überrascht durch ein sehr ruhiges Intro, welches durch einen fetten Schrei unterbrochen wird und dann gnadenlos plattgewalzt wird.
„Steh auf!“ ist ein kleiner Denkzettel an alle selbsternannten Revolutionäre und Wochenendpunks, mit der Botschaft, dass man seiner Sache mit der falschen Methode seiner eigenen Sache keinen guten Dienst leistet. „Ihr sagt, ihr braucht keinen Führer, keinen Richter, keinen Gott. Ihr seid dieselben Schlächter, Freiheit ist nur ein Wort!“, heißt es. Ein sehr wichtiges Thema, das auch gut und sehr ansprechend zur Schau gestellt wurde…allerdings mit einem komischen Nachgeschmack, dass gerade „Rawside“ über die Methodik singt. Aber an der Stelle fällt auch stark auf, dass wirklich radikale „Forderungen“, für die die Band normalerweise bekannt ist (Beispiel: „Dreht euch alle weg, stellt sie an die Wand!“, „Die Straßen werden brennen“, „Feuer und Flamme für eine neue Zeit!“), hier keinen Platz gefunden haben. Werden die Jungs etwa gemäßigter?...
Und was wären die Hardcore’ler denn ohne Cover-Versionen? Ihre Verbindung zur Punkrock-Legende „Vorkriegsjugend“ (VKJ) ist hinreichend bekannt und wird wieder durch ein Lied namens „Killer“ geehrt. Alten Hasen schlägt das Herz (oder das, was noch davon übrig ist) postwendend höher. Klingt nicht schlecht, allerdings gefällt mir die ursprüngliche VKJ-Version besser. Den „Touch“, die "Atmosphäre" von früher kann man auch nur einfangen, wenn man das wirklich „früher“ gemacht hätte. Aber ich will nicht kleinlich sein, es klingt ja ganz nett. Und als krönenden Abschluss erfüllt es seine Funktion auch ganz gut.
Auch „Corporation Pull-In“ ist ein Coversong, der ursprünglich von der Band „Terrorizer“ geschrieben wurde. Auch hier haben „Rawside“ eine nette Version hinlegen können, die leider nicht ganz an das Original herankommt…aber gut, dem Anspruch muss eine Coverversion auch nicht gerecht werden. Es hämmert und rockt, mehr muss es schließlich nicht können.
Eine Cover-Version, die ich jedoch viel besser als die Ursprungsfassung finde, ist "I shot the Sherrif" (eigentlich von Bob Marley). Am Anfang wird selbige noch abgespielt, bis sie ungemütlich durch die Band zur Seite getreten wird, ein bisschen Stahlkappe zu schmecken bekommt (im metaphorischen Sinne, versteht sich) und den Rockern den Vorzug lässt. Reggae-Anhänger sind entsetzt, Punker freuen sich darüber. Rock on!!
Die Frage am Anfang steht noch im Raum. „Taugt die Platte etwas?“. Ich sage, dass die definitiv etwas taugt, aber mit gewissen Negativpunkten, die auch die erschreckend niedrig wirkende Zahl ganz oben erklärt.
„Widerstand“ ist ein tolles Album und richtig für diejenigen, die gerne auf harten, schnellen und verdammt nochmal kompromisslosen Hardcore-Punk stehen, der nicht mit politischen oder persönlichen Texten geizt (und genau so wenig mit Aussagen, die „Parolen-Qualität“ besitzen).
Allerdings ist es sehr schade, dass nach vier Jahren nicht ein bisschen „mehr“ rausgekommen ist. Ich hacke nur ungern darauf rum, dass es „zu wenig Lieder“ gibt, weil persönlich denke, dass jede Band da ihre eigene Grenze ziehen muss. Aber nach vier Jahren Wartezeit „nur“ 13 Tracks zu haben, von denen auch noch drei gecoverte Lieder sind, erscheint einem Fan doch ein bisschen mager…vor allem, wenn das lang ersehnte Album nach weniger als 40 Minuten dem Ende entgegenschallt. Auch könnte dabei das ein oder andere Lied komplett „untergehen“, weil man den Stil der Band einfach kennt und langsam alles ziemlich vertraut klingt, nach dem Prinzip: „Hab ich schon mal gehört“. Bestärkt wird die Tatsache durch die fetten Songs wie "Face to Face", "Kettenreaktion", "Widerstand" oder "Steh auf!".
Aber ich meckere auch ein bisschen zu viel. „Widerstand“ ist eine super Scheibe mit einigen Liedern, die ich wirklich als „Hit“ bezeichnen würde. Fans und Sympathisanten der HC-Bewegung greifen zu…sofern sie die politische Schiene teilen oder nicht allzu eng sehen, sodass sie über die Botschaft hinwegsehen können.
Am liebsten würde ich wirklich 7,5 Punkte an die Scheibe vergeben, weil ich wirklich zwiegespalten bin. Es gibt auch Stellen, die gut über die 8-Punkte-Grenze gehen würden, allerdings fallen die Kritikpunkte zu sehr ins Gewicht, als dass ich guten Gewissens so eine Wertung machen könnte.
Aber wie sagte ich am Anfang? Zahlen sind Schall und Rauch...
Geschrieben von ChaosZx2 am 12.08.2011, 00:00 Uhr
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