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THE BOTTROPS

19.12.2012

THE BOTTROPS aus Berlin haben am 23.11.2012 ihr neues Album “Hinterhofhits“ veröffentlicht. Neue Songs, direktere Sprache und mehr Punkrock zeichnen das Album aus. Grund genug der Band im Proberaum im dunklen Hinterhof ein paar Fragen zu stellen. Antworten auf meine Fragen gaben mir Johnny Bottrop (JB, Gitarre), Bang Bang Benno (BBB, Gitarre und Gesang) sowie Slash Vicious (SV, Bass und Gesang). Schweigend und mit Argusaugen wurde alles vom neuen Drummer Stevo Petrocelli beobachtet.


Geschrieben von Frank am 20.12.2012, 00:00 Uhr


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F:        Auf eurer neuen CD “Hinterhofhits“ ist auf dem Cover zu lesen “Häuser sind zum Wohnen da und nicht zum spekulieren“

JB:       Das ist erst einmal nur ein Foto was wir zufällig entdeckt haben. Uns ging es primär um die Leute da auf dem Hof rum schießen. Aber, uns ist der Spruch natürlich auch wichtig. Gerade in Berlin ist es wichtig, dass man da einen Hinweis drauf gibt, dass die Preise für Mietwohnungen und Immobilien generell explodieren. Offensichtlich weil in diesem komischen System was sich Kapitalismus nennt, keine andere Anlegemöglichkeit für Reiche existiert, als dass sie Häuser kaufen die sie dann rentabel weiter vermieten können.

SV:      Der Spruch soll einen Denkanstoß geben.

JB:       Man muss sich also das Cover zwei Mal angucken.

SV:      Drei Mal kann man auch.

F:        Baut auf diese Thematik der Song “Go2Hell“ auf?

JB:       Ja.

F:        Wie ist die Situation was Mietpreissteigerungen und Verdrängung angeht für euch konkret bzw. in Kreuzberg?

JB:       Wir sind alle in irgendeiner Form davon betroffen und kennen Leute die davon betroffen sind. Man merkt dass auch schon bei Proberäumen. Es geht weiter bei Wohnungen von Freunden, Räume von Projekten und Kinderläden, die raus müssen weil die Mieten Höhen erreicht haben die nicht mehr bezahlbar sind.

SV:      In meinem Haus wird jede Wohnung einzeln für viel Geld saniert, damit sie dann für den doppelten Preis wieder vermietet werden kann.

F:         Du hälst aber die Stellung?

SV:      Ich bin noch drin und halte tapfer die Stellung, aber irgendwann werden sie wahrscheinlich auch zu mir kommen.

F:        Kommen wir mal zu der Textzeile “Es funktioniert nicht. Es hat nie funktioniert“ aus dem Song “Die Maschine“. Ist das eine dadaistische Aussage oder eine Parole gegen Alles?

JB:       Den Text gab es an sich schon. Den haben wir dann allerdings abgeändert als die Sache in Fukushima passiert ist, wo ein angeblich erdbebensicheres, tsunamisicheres Atomkraftwerk kaputt gegangen ist. Weite Umkreise sind dadurch verstrahlt worden.

SV:      Der Super-GAU.

JB:       Der Super-GAU war der Anlass, aber es funktioniert ja noch mehr nicht.

Es gibt kein sicheres Endlager für Atommüll in Deutschland. All diese ganzen hochtechnischen Sachen die in den letzten 10 Jahren geplant oder gebaut worden sind, sind entweder zu teuer, funktionieren nicht oder deren Fertigstellung muss ewig lang verschoben werden. Der Text behandelt generell die Abhängigkeit der Menschen von modernen Technologien.

F:        Ist der Mensch zu überheblich geworden?

JB:       Es gibt ja nicht den einen Menschen. Es ist aber schon so, dass die Menschen in den westlichen Ländern extrem abhängig sind von der Technik und gar nicht wissen würden, wenn mal 48 Stunden der Strom ausfällt, was sie machen sollen.

Das ist nicht überall so auf der Erde. Auf der südlichen Halbkugel gibt es sicherlich noch viele Gesellschaften die noch nicht so technikabhängig sind.

Die Technikabhängigkeit ist in Westeuropa und Nordamerika schon enorm und in Japan ist sie noch höher.

F:        Der Song “Kannibale“ befürwortet das Verschwinden von Touristen in Berlin. Wie viele Touristen verträgt Berlin?

JB:       Die Frage muss heißen “Wie viele Touristen verträgt Johnny Bottrops Magen?“.

SV:      Am besten sind gut in Bier getränkte Bayern, die schmecken besonders gut.

JB:       Ich stehe mehr so auf drahtige Südeuropäer

SV:      Magst mehr mageres Fleisch?

JB:       Das ganze Touristending geht natürlich mit der Gentrifizierung einher. Die Frage ist ja auch, wie lange kommen noch Touristen, wenn ganze, ehemals ursprüngliche, authentische und reale Stadtteile nur noch bestehen aus; Cafes für Touristen, Youth Hostels, Restaurants für Touristen, Elektroclubs wo nur Touristen reingehen und daneben eine Jugendherberge und dann das nächste Haus mit zu vermietenden Eigentumswohnungen für Touristen. Wenn dann ganze Straßenzüge nur noch daraus bestehen, frage ich mich, warum fahren die dann noch hier hin?

SV:      In Spanien auf den Balearen hat das doch prima funktioniert.

JB:       Aber da gibt es Sonne und Strand! Wo ist denn hier die Sonne und der Strand?

BBB:    Die kommen doch nicht wegen der Sonne und dem Strand nach Berlin…

SV:      …sondern wegen dem authentischen Kiez.

F:        Profitiert Berlin und die alternative Szene nicht auch von Touristen?

JB:       Leute die jung sind und auf der Suche nach Jobs oder Nebenjobs sind finden auf jeden Fall etwas in Youth Hostels oder so. Ich kenn eine ganze Menge Punkrocker die in Youth Hostels arbeiten. Ist ja auch ein Einkommen.

SV:      Es ist auf jeden Fall auch eine Bereicherung. Es sind ja nicht nur Vollidioten die durch die Straßen gehen und saufen. Es sind auch total nette Typen dabei mit denen man gut umgehen kann. Ich bin ja auch Tourist, wenn ich z.B. in Spanien bin. Ich benehme mich vielleicht ein bisschen anders als der 08/15 Deutsche der nach Mallorca fährt.

JB:       Der Unterschied ist, wenn ich irgendwo hinfahre z.B. nach Italien oder Spanien, dann fahre ich da hin wo ich Leute kenne und mach mit denen was. Heutzutage hat sich das völlig verselbständigt.

SV:      Wo wir beim Song “Go2Hell“ und dem Turm aus Scheiße wären. Es werden hier ganze Viertel aufgekauft und die Wohnungen werden als Ferienwohnungen vermietet zu horrenden Preisen. Die Mieten für den Normalbürger steigen dann entsprechend an.

JB:       In der Wilhelmstraße in Mitte, Richtung Unter den Linden sind in den ganzen Wohnhäusern die ursprünglichen Mieter rausgeschmissen worden. Das sind jetzt alles Ferienwohnungen. Es gibt keinen ursprünglichen Mieter mehr dort.

Ich weiß nicht wie lange sich das die Berliner noch gefallen lassen werden.

BBB:    Es hat immer zwei Seiten, wenn man hier arbeiten oder einfach ein bisschen Leben will ist das völlig o.k., aber wenn die Sachen, gerade was Wohnungen angeht so ins Extreme laufen dann ist das gefährlich. Keiner hat was gegen Touristen. Die Frage ist nur, in welchen Mengen verträgt eine Stadt wie Berlin Touristen und in welchen Mengen ist das homogen.

JB:       Es geht nicht unbedingt um die Menge, sondern wer verdient daran auf welche Art und Weise.

F:        Kommen wir zu “Menschenmaterial“. Ich finde der Song rechnet mit den ganzen schlecht bezahlten Jobs ab. Was sollte man tun, wenn man in diesem Laufrad aus schlecht bezahltem Job und schlechter Ausbildung steckt?

JB:       So was machen wie wir?! Wir haben alle keine richtige Ausbildung außer der Streber von Bang Bang Benno, der bewegt sich gerade auf dem zweiten Bildungsweg.

BBB:    Ich hab noch nicht mal Abitur. Ich hab nix, und du machst mich hier an weil ich mit weit über dreißig das erste Mal eine Ausbildung angefangen habe. Die ist noch lange nicht abgeschlossen.

JB:       Man kommt schon irgendwie klar. Man muss nicht im Call Center arbeiten.

F:        Ist der Song “Das Produkt“ der Nachfolgesong von “Reduziert“?

SV:      Da haben wir uns noch keine Gedanken drüber gemacht, aber wenn das so rüberkommt war es keine Absicht.

JB:       Das war ursprünglich anders. Ursprünglich sollten die drei Songs “Das Material“, “Das Produkt und “Die Maschine“ hintereinander kommen. Quasi, mit Hilfe einer Maschine formt das Menschenmaterial Produkte die dann keiner braucht und die auch nicht funktionieren. Der ewige Kreislauf des Wirtschaftens.

F:        Das macht mir Angst, wenn die Maschine vielleicht irgendwann Menschen formt die doof sind und billig arbeiten.

SV:      Die Gesellschaft klont die Menschen die doof und billig arbeiten selber. Ich glaube nicht, dass man dazu noch eine Maschine braucht.

JB:       So weit können wir nicht denken, wir sind eine einfache Punkband.

F:        Ihr habt für eure Verhältnisse relativ viele traurige und schwermütige Songs auf dem Album. Wie kam es dazu?

JB:       Damit hab ich nichts mit zu tun.

BBB:    Welche Songs meinst du?

F:        Zum Beispiel “Ramona“ und “Zusammen Sein“. Beide Songs sind nicht typisch THE BOTTROPS.

JB:       Das sind beides Beziehungslieder. Beide Songs haben eine lustige Pointe. Bei dem Song “Ramona“ ist es ja so, dass der Typ nicht an ein Mädchen denkt, sondern an drei dutzend Mädchen.

F:        Aber er hat in dem Moment kein Mädchen.

JB:       Er hat kein Mädchen, aber das ist nur ein momentaner Zustand. Vielleicht setzt sich nach einer halben Stunde ein Mädchen neben ihn. Bei “Zusammen Sein“ ist es ähnlich. Da ist es ja so, dass der Gedanke ist “Ich bin so alleine. Ich wäre so gerne mit dir zusammen….oder mit irgendeiner anderen“.

F:        Zumindest haben beide Songs mit momentaner Einsamkeit zu tun.

SV:      Das ist menschlich. Nur “Gute Laune“ - Songs funktionieren doch auch nicht.

F:        Die “Hinterhofhits“ geht ein bisschen vom Power-Pop weg, mehr in Richtung Punk. Ist das gewollt oder Zufall?

JB:       Die klingt ein bisschen härter als unsere bisherigen Alben weil das Album live aufgenommen wurde. Die ganzen Verstärker standen in einem Raum und dieser war mit vielen Mikros ausgestattet, dadurch klingt es krachiger und härter. Zur Zeit der Aufnahmen hat noch unser alter Drummer gespielt, The Ace. Der ist großer Fan von amerikanischer Punk - und Hardcore - Musik. Dadurch kam sicher auch noch etwas Härte rein.

SV:      Die Aufnahmen haben total Spaß gemacht und haben der Platte wirklich gut getan. Das dumme war nur, dass das Set total schnell ging. Das war alles ratz fatz im Kasten. Innerhalb von zwei Tagen haben wir die Songs eingespielt. Die Overdubs haben dann leider ein bisschen länger gedauert.

BBB:    So sieben bis acht Monate.

SV:      Da war dann plötzlich keine Zeit mehr da. Der eine konnte nicht, der andere war im Urlaub oder was weiß ich, und zack war fast ein ganzes Jahr weg.

JB:       Das ging alles etwas zäh.

F:        Zum aktuellen Geschehen in Kreuzberg. Bis zum Frühjahr 2013 ist die Besetzung einer alten Schule durch Flüchtlinge vom Bezirk geduldet worden. Wie steht Ihr dazu und was wisst Ihr darüber?

JB:       Ich weiß total viel darüber aber ich darf nichts erzählen.

BBB:    Wie stehst du dazu?

JB:       Ich steh ganz gut dazu.

BBB:    Ich find es auch in Ordnung.

F:        Das wäre in vielen Städten sicher so nicht möglich.

BBB:    Das stimmt, da ist Berlin sicher mit am tolerantesten. Das spricht für Berlin!

 

F:        In Kürze kommt ja die lang ersehnte DVD der Terrorgruppe raus. Gibt es da Bestrebungen wieder zusammen zu kommen?

JB:       Nein

SV:      Nein

F:        Was machen THE BOTTROPS in 2013?

JB:       Wir werden live spielen, aber eine längere Tour ist nicht geplant.

SV:      Zu Ostern werden wir eine kleine Tour spielen, dann einige Sommerfestivals und im Herbst dann vielleicht noch eine kleine Tour.

Und bis dahin heißt es, sich mit “Hinterhofhits“ anfreunden. Ich bin überzeugt davon, dass es schnell gehen wird, denn die Scheibe ist eingängig und macht einfach richtig viel Spaß.

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